Die Baubranche ist berüchtigt für ihre verzögerten Projekte. Von öffentlichen Großprojekten wie den Flughäfen in Berlin oder Stuttgart bis zu kleineren privaten Vorhaben, Bauverzögerungen sind allgegenwärtig und können für Handwerksunternehmen zu einem echten Albtraum werden. Denn diese Verzögerungen bedeuten nicht nur einen verschobenen Baubeginn, sondern ziehen oft eine Kette von finanziellen und logistischen Problemen nach sich.

Dieser Artikel unseres VOB-Magazins ist dein Leitfaden für den Fall, dass auch du unter einer Bauverzögerung deines Auftraggebers leidest. Die gute Nachricht: Wurde der Baubeginn nicht aufgrund von höherer Gewalt verschoben, steht dir neben Schadenersatzansprüchen auch eine Entschädigung für die Verzögerung am Bau zu. Wir zeigen dir, wie das funktioniert.

Die verborgenen Kosten einer Bauverzögerung

Ein verzögerter Start eines Bauvorhabens wirkt sich unmittelbar auf die Kostenstruktur des Projekts aus. Diese verborgenen Kostenpunkte kennen Handwerker, die bereits eine Bauverzögerung erlebt haben, nur zu gut:

  • Steigende Materialkosten: Von Holz über Zement bis hin zu Stahlgerüsten – Was heute günstig ist, kann morgen schon teurer sein.
  • Höhere Löhne: Tarifliche Anpassungen lassen die Personalkosten steigen.
  • Gestiegene Subunternehmerkosten: Auch die Preise deiner Subunternehmer entwickeln sich oft nach oben, während die Kapazitäten knapp werden können.
  • Saisonale Mehrkosten: Eine kältere Jahreszeit kann zusätzliche Maßnahmen wie Einhausungen oder Heizungen erfordern, die zusätzlich ins Geld gehen.

Rechtliche Rahmenbedingungen: Gute Nachrichten für Handwerksunternehmen

Das OLG Brandenburg stellte am 25. Juni 2020 klar: Eine Verzögerung des Baubeginns durch den Auftraggeber gilt rechtlich als Anordnung zur Leistungsänderung bezüglich der Bauzeit. Diese Entscheidung gibt Handwerkern das Recht, die entstandenen Mehrkosten geltend zu machen, vorausgesetzt, sie können diese nachvollziehbar belegen.

Doch wie gelingt es dir, diese Rechte tatsächlich geltend zu machen, um den Erfolg und die Rentabilität des Bauprojekts nicht zu gefährden?

Handeln statt warten: Kalkulieren, anzeigen, geltend machen

Um die finanziellen Einbußen infolge einer Bauverzögerung nicht selbst tragen zu müssen, müssen Handwerker aktiv werden. Warte nicht auf den verzögerten Baubeginn, sondern handle, um das Projekt weiterhin profitabel zu halten.

Zunächst ist eine akkurate Neukalkulation deiner Kosten unverzichtbar. Du musst sowohl die Kosten, die du bei einem planmäßigen Bauablauf erwartet hättest, als auch jene, die aufgrund der Verzögerung tatsächlich entstanden sind, detailliert auflisten. 

Dies schließt Materialpreissteigerungen, erhöhte Lohnkosten und mögliche Zusatzkosten für Winterbaumaßnahmen oder andere saisonale Einflüsse ein. Die Klarheit dieser Kalkulation ist entscheidend, um später beim Auftraggeber oder über juristische Wege eine faire Entschädigung einfordern zu können. 

Um deine rechtliche Position zu stärken, hast du laut VOB im Falle einer Bauverzögerung auch die Möglichkeit, eine Behinderungsanzeige zu verfassen. Die Behinderungsanzeige muss zeitnah und formgerecht nach Bekanntwerden der Verzögerung eingereicht werden. Sie dient als offizielle Dokumentation, dass der normale Bauablauf gestört ist, und sichert rechtlich die Grundlage für eventuelle Fristverlängerungen und Ansprüche auf zusätzliche Vergütung ab.

Durch die genaue Dokumentation und rechtzeitige Kommunikation dieser Informationen schützt du dein Unternehmen vor unnötigen finanziellen Belastungen und stellst sicher, dass du für zusätzliche Aufwendungen entschädigt wirst, die durch unvorhergesehene Bauverzögerungen entstehen.

Wenn der Bau stillsteht: Die Kündigung als letzter Ausweg

Rechtlich wird eine Verschiebung des Baubeginns wie eine Unterbrechung behandelt. Nach drei Monaten Stillstand ermöglicht § 6 Abs. 7 VOB/B den Vertragsparteien, den Bauvertrag zu kündigen. Diese Option ist oft der einzige Ausweg für Handwerker, um sich vor weiteren finanziellen Verlusten zu schützen. Kündige das Bauprojekt dennoch erst dann, wenn du wirklich keine Chance mehr auf einen erfolg- und ertragreichen Start siehst.

Fazit

Für Handwerksunternehmen sind Bauverzögerungen nicht nur eine logistische Herausforderung, sondern auch ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Die gute Nachricht: Der Auftraggeber muss dich für fast alle Mehrkosten infolge einer Bauverzögerung entschädigen. Eine proaktive Haltung, eine klare Kommunikation mit dem Auftraggeber und die genaue Dokumentation aller Mehrkosten sind dabei entscheidend, um finanzielle Verluste zu minimieren. 

Bauverzögerungen mögen eine harte Realität in der Baubranche sein, aber mit dem richtigen Wissen und den richtigen Werkzeugen können Handwerker sich schützen und ihre Projekte dennoch erfolgreich durchführen. Verschenke also kein Geld und handle, wenn sich der Baubeginn wieder einmal verzögert hat!

FAQ – häufig gestellte Fragen zum Thema Bauverzögerung

Was sollte ich als Handwerker tun, wenn der Baubeginn verschoben wird? 

Sobald du erfährst, dass sich der Baubeginn verzögert, solltest du umgehend eine Dokumentation  der Kosten sowie eine Behinderungsanzeige erstellen und diese dem Auftraggeber übermitteln. Dies dokumentiert offiziell die Verzögerung und hilft dir, Ansprüche auf eine Anpassung der Bauzeit und eine Entschädigung für die entstandenen Mehrkosten zu sichern.

Wie kann ich als Auftragnehmer Mehrkosten aufgrund einer Bauverzögerung geltend machen? 

Zunächst musst du alle Mehrkosten, die durch die Verzögerung entstanden sind, präzise dokumentieren und schlüssig darlegen. Anschließend solltest du diese Kosten dem Auftraggeber vorlegen – idealerweise begleitet von einer detaillierten Begründung, warum diese Kosten entstanden sind und wie sie sich zusammensetzen. Wurde alles sauber und schlüssig kalkuliert, ist er rechtlich dazu verpflichtet, dir die Entschädigung auszuzahlen.

Was passiert, wenn der Baubeginn um mehr als drei Monate verschoben wird? 

Wenn der Baubeginn um mehr als drei Monate verzögert wird, hast du als Auftragnehmer das Recht, den Bauvertrag gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B zu kündigen. Dies gibt dir eine rechtlich saubere Möglichkeit, um dich vor langfristigen finanziellen Verlusten zu schützen und dich aus einem potenziell problematischen Projekt zurückzuziehen.

Jetzt unseren Podcast hören

Ein Muss für ausführende Handwerksbetriebe im VOB-Projektgeschäft!
Werde aktiver Treiber im professionellen Bauablauf und lerne, wie du eine Projekte im VOB- Projektgeschäft stressfreier, planbarer und profitabler durchführen kannst.